Der Staat muss den Wohnungsmarkt funktionsfähig halten
Mieter und Hauseigentümer in der Krise gleichsam schützen
Der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland forderte heute noch einmal die Bundesregierung auf, in der Krise Mieter, private Vermieter und selbstnutzende Haus- und Wohnungseigentümer gleichsam zu schützen. Ziel müsse es sein, den Wohnungsmarkt auch in den kommenden Monaten funktionsfähig zu halten. In einem Brief an die zuständigen Bundesminister erklärte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke dazu:
„Die Corona-Krise ist tiefgreifend. Sie berührt und verändert fast alle Lebensbereiche jedes Einzelnen. Das gilt auch für das Wohnen. Viele Bürger fürchten aktuell um ihr Einkommen und folglich darum, ihre Miete oder ihre Wohnkosten des Eigenheims nicht mehr zahlen zu können. Ein wohlhabendes Land wie Deutschland darf es nicht zulassen, dass Menschen wegen dieser Ausnahmesituation ihr Zuhause verlieren. Hierzu wollen die vermietenden privaten Haus- und Wohnungseigentümer ihren Beitrag leisten. Sie sind sich ihrer besonderen Verantwortung in dieser Situation bewusst. Wenn Eigentümer, Mieter und der Staat an einem Strang ziehen, können wir zumindest beim Wohnen ohne größere Schäden durch die Krise kommen. Dazu bedarf es aus Sicht von Haus & Grund Deutschland dreier Dinge:
- Bestehende soziale Sicherungssysteme für Wohnkosten-Garantie nutzen und stärken
Deutschland ist ein Sozialstaat. Das soziale Mietrecht und Transferleistungen des Staates garantieren, dass weder der Selbstnutzer noch der Mieter über Nacht seine Wohnung verliert. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass hinreichend Mittel für das Wohngeld bereitstehen und Menschen mit niedrigem Einkommen dieses schnell in Anspruch nehmen können. Zudem müssen bei entstandener Arbeitslosigkeit die Kosten der Unterkunft zügig übernommen werden. Die entsprechenden Richtwerte und Obergrenzen müssen erweitert werden, um die tatsächlichen Wohnkosten in Ansatz zu bringen. - Zeitgewinn nutzen, um Mieten- und Wohnkostenfonds zu errichten
In der mittleren Frist müssen Mieter und Selbstnutzer, die in Zahlungsschwierigkeiten gekommen sind, aus einem staatlichen Fonds per Zuschuss oder zinslosem Darlehen unterstützt werden. Da der Aufbau und die Organisation dieses Fonds einige Zeit in Anspruch nehmen wird, ist es umso wichtiger, dass die zuvor genannten Transferleistungen jetzt reibungslos funktionieren und entsprechend ausgestattet sind. - Wohnkosten-Garantie mit Kündigungsschutz stärken
Mieter, die Transferleistungen und/oder Fondsmittel in Anspruch nehmen, sollen bis zum Ende der Corona-Krise vor Kündigungen geschützt sein. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Mittel auch zweckentsprechend beim Vermieter ankommen. Soweit möglich, müssen die Mittel vom Staat direkt an die Vermieter gezahlt werden. Die Koppelung von Kündigungsschutz und erfolgter Mietzahlung ist notwendig, damit die Zahlungsschwierigkeit nicht von einer Person auf die nächste übertragen, sondern gelöst wird. 66 Prozent der Mietwohnungen in Deutschland werden von privaten Kleinvermietern angeboten. Circa 57 Prozent der Privateigentümer vermieten nur eine einzige Mietwohnung. Ein Mietausfall kann für diese Menschen eine ernsthafte finanzielle Schieflage auslösen. Nicht selten sind private Vermieter Rentner, die auf die Mieteinnahmen angewiesen sind. Oder sie sind beispielsweise Handwerker, Gastronomen oder kleine Gewerbetreibende, die nun ihrerseits durch die Corona-Krise mit starken Einbußen bis hin zur Geschäftsaufgabe rechnen müssen. In dieser schweren Krise müssen alle zusammenstehen. Die, die viel schultern können, müssen mehr schultern als andere. Es gibt bereits zahlreiche Fälle, in denen sich Mieter und Vermieter einvernehmlich auf Mietstundungen, vorübergehende Mietreduzierungen oder ähnliche Entlastungen geeinigt haben. Doch in vielen Fällen werden solche Lösungen nicht möglich oder nicht lange durchzuhalten sein. Und hier ist der Staat gefragt – schnell und unbürokratisch.“
Erste Bewertung der von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen für den Wohnungsmarkt
Art. 240 § 2 EGBGB-Entwurf steht im eklatanten Widerspruch zu allen übrigen Maßnahmen der Bundesregierung, die eine Vergemeinschaftung des wirtschaftlichen Risikos während der COVID-19-Pandemie vorsehen: § 2 verlagert das wirtschaftliche Risiko für sechs bis zwölf Monate einseitig und ausschließlich zum Vermieter. Damit werden fast vier Millionen private Vermieter, von denen die Mehrzahl nur eine Wohnung anbieten und die insgesamt zwei Drittel aller Mietwohnungen anbieten, zum alleinigen Risikoträger der Zahlungsfähigkeit der Mieter. Gleichzeitig müssen Vermieter die Betriebs- und Verwaltungskosten weiterzahlen.
Der Regelung des § 2 Abs.1 stellt in der Praxis alle Mieter für sechs oder zwölf Monate von der Zahlungspflicht der Bruttowarmmiete frei. Die Vermutungsregel des § 2 Abs. 2 entlastet den Mieter auch noch von der Darlegungspflicht. Wie sollte ein privater Vermieter diese Vermutung erschüttern können? Der Entwurf regelt keinen Interessenausgleich, er ist ein einseitiger Freibrief, geeignet um Millionen private Eigentümer in die Insolvenz zu treiben.
Die Immobilienwirtschaft und verbundene Branchen müssen damit zum Erliegen kommen, denn das Unterbrechen der Zahlungsverpflichtungen unterbricht den Wirtschaftskreislauf. Beispielsweise jetzt noch arbeitsfähige Handwerksbetriebe werden keine Aufträge mehr erhalten und ihre Arbeitnehmer entlassen müssen – die ihrerseits ihren Mietzahlungen nicht mehr nachkommen werden können. Keine Mieteinnahmen bedeutet auch, dass die Immobilien als Sicherungswert für Darlehen entfallen. Darlehensnehmer haben keine Grundlage mehr für Verhandlungen mit ihren Banken.
Anstatt die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise einzudämmen, wird der Vorschlag der Bundesregierung in einer Kettenreaktion die gesamte Wirtschaft beschädigen. Hier werden grundlegende Zusammenhänge unserer Volkswirtschaft außer Acht gelassen und ein wirtschaftspolitischer Tabubruch begangen.
Der Staat entsolidarisiert sich in beispielloser Weise von den vermietenden Privatpersonen in Deutschland, die ihren Lebensunterhalt, Unterhaltspflichten und sonstige Zahlungsverpflichtungen aus Mietzahlungen bestreiten, anstatt auf eine Mieten-Garantie durch die sozialen Sicherungssysteme zu setzen – auf die Vermieter regelmäßig selber nicht zurückgreifen können. Haus & Grund Deutschland hat der Bundesregierung einen umfassenden Vorschlag zur Sicherung der Wohnkosten für Mieter und Selbstnutzer in der Corona-Krise unterbreitet.
Die jetzt geplanten Maßnahmen lehnt Haus & Grund Deutschland ab. Sollten diese jedoch Bestand haben, bedarf es dringend mindestens drei Korrekturen.
1. Die Vermutungsregel muss (für private Vermieter) gestrichen werden. Vermieter kennen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mieter nicht.
2. Der Kündigungsausschluss muss daran geknüpft sein, dass der Mieter fortlaufend Bemühungen zur Beantragung von Wohngeld oder den Kosten der Unterkunft unternimmt. Dann nur kann er Miete aus dem Sozialsystem erlangen.
3. Es muss sofort und ggf. mit erst nachträglicher Antragsprüfung einen Anspruch des Eigentümers auf Unterstützung aus einem „Sicher-Wohnen-Fonds“ geben, um die Zahlungspflichten der Eigentümern abzusichern.