16 | Datenschutz: Was wird aus den Klingelschildern? Wenn man eine juristische Diskussion darüber führen kann, ob das Anbringen von Na- men auf Klingelschildern erlaubt erlaubt ist, stellt sich die Frage, ob man mit der Daten- schutzgrundverordnung nicht ein wenig über das Ziel hinausgeschossen ist. Robert Becker, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 2. stellvertretender Vorsitzender Haus & Grundbesitzerverein Wilmersdorf Am 25. Mai 2018 trat die Datenschutzgrundverordnung der Eu- ropäischen Union (DSGVO) in Kraft. Obwohl sie bereits rund zwei Jahre zuvor verabschiedet wurde und auch davor ein relativ strenges Datenschutzrecht galt, kam für viele das Inkrafttreten der Verordnung und die neuen Regeln in etwa so überraschend, wie jedes Jahr plötzlich Weihnachten ist. Mit einher entstanden diffuse Ängste. Man befürchtete, dass ab sofort die Mitarbeiter der zuständigen Aufsichtsbehörden von Tür zu Tür gehen würden, um die Vorlage von Verzeichnissen über Verarbeitungstätigkeiten zu verlangen und bei Nichteinhaltung hohe Bußgelder einzufordern, oder dass Heerscharen von Anwäl- ten Abmahnungen wegen Nichteinhaltung von irgendwelchen Hinweisen zum Datenschutz auf Webseiten verschicken könnten. Dies betrifft nicht nur Vermieter oder Hausverwalter, sondern je- den, der in irgendeiner Weise beruflich mit anderen Menschen zu tun hat und deren Namen und Adressen sammelt und aufbe- wahrt. Auch die Tätigkeit in den Haus- und Grundbesitzervereinen ist davon betroffen. Nachdem sich nach Inkrafttreten der Verordnung die oben ge- schilderten Ängste nicht bewahrheiteten, trat etwas Ruhe ein. Aus dieser sind jedoch viele durch eine Nachricht aus Wien Mit- te Oktober 2018 aufgeschreckt worden. Dort fasste eine kom- munale Wohnungsbaugesellschaft aufgrund der Beschwerde ei- nes Mieters und nach Rücksprache mit den Datenschutzexperten der Stadt den Entschluss, die Namen von den Klingelschildern von rund 220.000 Wohnungen zu entfernen. Da für Österreich die gleiche Datenschutzgrundverordnung gilt wie für Deutschland, stellte sich die Frage, ob auch hier alle Namen von den Klingel- schildern entfernt und durch Nummern ersetzt werden müssen. Denkbar wären auch Emojis wie zum Beispiel r oder t, damit man zumindest eine ungefähre Vorstellung davon hat, bei wem man gerade klingelt – aber Spaß beiseite. Haus & Grund Deutschland empfahl seinen Mitgliedern zu- nächst, dem Beispiel zu folgen, korrigierte diese Einschätzung aber kurze Zeit später, nachdem in zahlreichen Tageszeitungen darüber berichtet wurde und verschiedene Datenschützer dahingehend zi- tiert wurden, dass die Datenschutzgrundverordnung keineswegs das Anbringen von Namen auf den Klingelschildern grundsätzlich verbiete. Hauptbegründung hierfür war, dass das Anbringen von Namen auf den Klingelschildern keine automatisierte Datenver- arbeitung und deshalb die Forderung nach dem Entfernen mehr oder minder großer Unsinn sei. Sollten die Datenschützer in Wien wirklich mit ihrer Einschätzung so daneben liegen? Auch wenn man bedenkt, dass es in Wien durchaus üblich ist, nicht den Namen, sondern nur eine Nummer auf das Klingelschild zu schreiben, so sind es doch die gleichen Rechtsvorschriften, die hier zur Anwendung kommen. Insofern lohnt vielleicht ein genauerer Blick, ob die Begründung wirklich tragfähig ist, dass es sich um keine automatisierte Datenverarbei- tung handele. Die Datenschutzgrundverordnung gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert wer- den sollen.1 Entgegen der Begründung der hiesigen Datenschüt- zer reicht also auch eine nicht automatisierte Datenverarbeitung, solang die Daten in einem Dateisystem gespeichert sind. Ein Datei- system ist jede strukturierte Sammlung personenbezogener Da- ten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind.2 Nimmt man das wörtlich, braucht ein Vermieter noch nicht einmal ein Haus- verwaltungsprogramm auf einem Computer, in dem die Namen und Adressen der Mieter verzeichnet und abrufbar sind, sondern es würde auch eine (analoge) Karteikartensammlung mit den Na- men und Adressen ausreichen, um die Kriterien für ein Dateisys- tem gemäß der Definition der DSGVO zu erfüllen. Dann stellt sich nur noch die Frage, ob es sich bei der Benut- zung dieses Dateisystems, um den richtigen Namen auf das richti- ge Klingelschild zu schreiben, um eine Verarbeitung von Daten im Sinne der DSGVO handelt. Diese wird definiert als jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezo- genen Daten – wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung 1 Art. 2 I DSGVO 2 Art. 4 Nr. 6 DSGVO . G V Z : O T O F